Was ist geschehen?

 

In der Nacht des 21.Juli 2012 wurden die drei mexikanischen Aktivisten Ana Belém Sánchez Mayorga (30), Diego Antonio Maldonado Castañeda (34) und Luis Enrique Castañeda Nava (28) gewaltsam aus ihrem Hotel in Paracho im Bundesstaat Michoacán entführt. Ihre Familien und Freunde suchen seit Monaten nach ihnen. Es gab bislang weder ein Lebenszeichen der Verschwundenen, noch eine Kontaktaufnahme der Entführer.

Zu den Vermissten:

Luis Enrique Castañeda Nava ist Vorsitzender der Parteijugend der linksgerichteten Movimiento Ciudadano und Experte für Kommunikation. Sein Cousin, der Psychloge Diego Maldonado Castañeda, hat sich während der letzten Präsidentschaftswahl als Wahlbeobachter engagiert. Ana Belém Sánchez Mayorga ist ebenfalls Psychologin. Alle drei unterstützen aktiv die Bewegung YoSoy132, die größte linke Bewegung Mexikos, die längst nicht mehr ausschließlich als Studentenbewegung zu sehen ist.

Sie waren gemeinsam aus Mexiko-Stadt nach Paracho gekommen, um im Auftrag von KidScience einen Workshop für Kinder im örtlichen Kulturinstitut zu geben. Reisekosten und Unterbringung wurden vom staatlichen Rat für Wissenschaft und Technologie im Rahmen des jährlich in Paracho veranstalteten Cantoya Heißluftballonfestivals übernommen.

Offizielle Aussagen:

Die Staatsanwaltschaft (PGR) und staatliche Behörden von Michoacán berichten, dass Ana Belém, Diego und Luis Enrique von einer lokal geführten und bewaffneten Gruppe entführt wurden. Zuvor war es laut dieser Aussage am Abend des 20. Juli in einer Bar zwischen Ulises Suarez Medina gen. El Pájaro vom Drogenkartell Caballeros Templarios und Luis Enrique, Diego und Ana Belém zu einem Streit gekommen.

Einige Wochen später, am 14. August, wurden El Pájaro und sein Leibwächter El Güero ermordet auf dem Purepecha Plateau gefunden.

Schleppende Arbeit der Behörden:

Die Hotelleitung hatte den Vorfall zunächst nicht der Polizei gemeldet und reagierte erst nachdem sich die besorgten Eltern nach dem Verbleib ihrer Kinder erkundigten. Am Tag nach dem Verbrechen wurde das Hotel wegen angeblicher Wartungsarbeiten geschlossen. Die Behörden leiteten die Untersuchungen am Mittwoch, den 25. Juli ein – vier Tage nach dem Verschwinden. Derzeit fehlen Beweise und es gibt keine weitereichenden Ermittlungen.

Obwohl der Geschäftsführer des Hotels aus Angst nicht über die Ereignisse sprach und die Polizei auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches feststellte, wurden Spuren von Gewaltanwendung im Hotel gefunden. Die Mutter von Luis Enrique äußerte sich folgendermaßen:

„Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben uns mitgeteilt, dass es Anzeichen des Widerstandes gab: Schuhabdrücke an den Wänden und Handabdrücke, als hätten sie versucht, sich an die Wände zu klammern, so als ob sie sich widersetzten. Zudem sei eine Treppenstufe während der Ereignisse kaputt gegangen, teilte uns eine der Empfangsdamen mit.“

Spezialeinheiten der Anti-Entführungseinheit (PGJ) erschienen erst auf Bitten der Eltern, die nach Paracho gekommen waren, um die Sachen ihrer Kinder abzuholen und sich mit dem Bürgermeister Nicholas Zalapa Vargas zu treffen. Dieser sagte ihnen, er wäre selbst im Hotel gewesen und hätte es „in bester Ordnung“ vorgefunden.

Laut Nachforschungen der Tageszeitung La Jornada Michoacán sind „bei der nächtlichen Entführung der drei aus Mexiko-Stadt stammenden jungen Akademiker vermutlich ein bis vier Schüsse im Hotel Santa Fe abgegeben worden. Nach der Tat reinigten die Hotelangestellten in Anwesenheit der Hotelbesitzer fast zwei Stunden lang das Blut im Gebäude und zerstörten dadurch weitere Spuren.“

Keine Unterstützung für die Angehörigen:

Weder die Behörden Parachos noch die der Landeshauptstadt Morelia haben den Familien der Verschwundenen, die sich derzeit an alle möglichen Organisationen wenden, bisher Schutz oder Hilfe angeboten. Auch die wiederholten Nachfragen von nationalen Journalisten aus der überregionalen Presse und TV sowie die Unterstützung der UNO-Menschenrechtskommission brachten keine Erfolge.

Stattdessen gibt es ein Gewirr aus mittlerweile 5 verschiedenen Versionen, was in der Nacht des Verschwindens von Ana Belém Sánchez Mayorga, Diego Antonio Maldonado Castañeda und Luis Enrique Castañeda Nava geschehen sein könnte. Ein Zusammenhang zwischen dem Verschwindenlassen der drei regierungskritischen Aktivisten und deren politischem Engagement ist nicht auszuschließen.

 

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